In dieser Arbeit liegt mein Anliegen darin, Idomeneus(2008) und Der goldene Drache(2009) von Roland Schimmelpfennig im Hinblick auf die Erzahltechnik zu analysieren und zu vergleichen. Roland Schimmelpfennig ist der zurzeit meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands, der auch Regie fuhrt. Die Untersuchung ist mit dem Interesse daran verbunden, welche Unterschiede es zwischen Schimmelpfennigs Dramaturgie und postdramatischer Asthetik sowie der Dramaturgie Bertolt Brechts gibt.
Im Drama Idomeneus geht es um die Moglichkeit der Mythen und die Verherrlichung des Lebens am Beispiel der Heimkehr des griechischen Helden Idomeneus nach Kreta. Dieses Drama, das keine Kontinuitat zwischen den Szenen zeigt, handelt von der Reise zur Rache, auf der Liebe, Schicksal, Schuld und Strafe zum Ausdruck kommen, aber auch von der wieder gewonnenen Gelegenheit zum Uberleben, das weiterhin mit Schmerz zu verknupfen ist. Die Geschichten werden von den Figuren erzahlt, die je nach Umstanden verschiedene Gruppen bilden und sich im Chor ausdrucken.
Im Drama Der goldene Drache geht es um eine Auseinandersetzung mit Missstanden auf dem Arbeitsmarkt und eine Momentaufnahme der Koexistenz in einer Zeit der Globalisierung. Im Vordergrund des Dramas stehen der Tod eines im Schnellrestaurant illegal arbeitenden jungen Chinesen und die Existenz seiner Schwester, die der Struktur einer Ausbeutung und einer Gewalt ausgesetzt ist. Hierin werden auch verschiedene Lebenssituationen der Einheimischen dargestellt, die verzweifelt sind und in der Nahe des Schnellrestaurants wohnen oder dieses als Gast besuchen.
Die Szenen werden durch die Short-Cut Dramaturgie schnell gewechselt. Außerdem sind die Rollen so verteilt, dass das Geschlecht, das Alter und die Lage der Figuren denen der Schauspieler widersprechen. Sie werden vom Rezipienten als Rollen wahrgenommen und der Verfremdungseffekt wird verstarkt. Zudem wird viel Wert auf die Handlung und den Text gelegt, der oder die im Postdramatischen Theater vernachlassigt wird. Von den Schauspielern, die oft ihre Satze wiederholen, werden fast alle Regieanweisungen ausgesprochen und auch sofort umgesetzt.
Schimmelpfennigs Dramaturgie lasst den Rezipienten auf das Wesentliche und die Luge konzentrieren. Sie fuhrt ihn dazu, uber die Wirklichkeit zu reflektieren. Dieser Prozess ist zwar durch das epische Theater Brechts bekannt, aber er fallt ins Extrem. Schimmelpfennigs Dramaturgie unterscheidet sich insofern von Brechtscher Dramaturgie, als jener auf die kleinen Geschichten und das Individuum achtet. Schimmelpfennig versucht demgegenuber die Postdramatik und die Dramatik zu verbinden. Durch die Verstarkung der Musikalitat und Visualisierung werden die Handlungen zwar oft unterbrochen, doch fuhren sie nicht zu ihrer Dekonstruktion. Dies bezieht sich darauf, dass Schimmelpfennig kein Zweifel an den Reprasentionsformen des Theaters hat.